Plötzlich musste ich lachen. Wenn Emily erfahren würde, dass ich auf einen Typen stand, würde sie sich noch mehr schämen. Sie würde sich allein für den Gedanken, der jetzt in ihrem Hirn herumspukte, schämen.
»Idiot.«, rief sie und knuffte mich in die Seite.
Endlich saßen wir in meinem Auto und fuhren zu diesem Club. Emily war immer noch still und hochrot. Es war ihr offenbar peinlich.
»Hey, das muss dir nicht peinlich sein, Em.«, sagte ich und grinste sie an.
»Ich sagte doch, alles in Ordnung.«, nuschelte sie und wurde noch eine Nuance röter.
Ihr Kopf glich nun einer überreifen Tomate und ich musste mir das Lachen verkneifen.
Ich parkte den Wagen in einer Seitenstraße und stieg aus. Dann hielt ich ihr die Tür auf und half ihr beim Aussteigen. Als ich ihr den Arm um die Schultern legte, versteifte sie sich kurz, entspannte sich aber wieder. Sie war wieder ganz die Alte. Ich grinste.
Zusammen machten wir uns auf in den Club. Meine Augen suchten schon automatisch die tanzende und wogende Menschenmenge ab. Ab und zu, wenn an der Bar nicht viel los war, dann kam er auf die Tanzfläche und tanzte ebenfalls. Seine Bewegungen glichen denen eines Gottes, eines dunklen Fürsten.
Doch heute hatte ich Pech. Je weiter wir in den Club vordrangen, desto voller wurde es.
Schließlich entdeckte ich ihn an der Bar. Er war umringt von Menschen, die eine kurze Pause vom Tanzen machten und sich einen Wodka nach dem anderen in die Rachen kippten. Oder von Frauen, die an ihrem Martini nippten und ihm lüsterne Blicke zuwarfen. Doch dieses eine Mal war er nicht am Flirten. Er hatte alle Hände voll zu tun, die Masse zu bedienen.
Mein Herz machte einen freudigen Hüpfer. So voll, wie es heute Abend war, würde er nicht dazu kommen eines dieser Weiber abzuschleppen. Unweigerlich grinste ich.
»Was ist denn los? Du strahlst so.«, wollte Emily wissen.
»Ach nichts.«, murmelte ich mit einem noch breiteren Lächeln im Gesicht.
»Sag schon, hast du jemanden gesehen?«, hakte sie nach.
Ich nickte, dann schüttelte ich den Kopf und als mir die Unnötigkeit dieser Aktion bewusst wurde, zuckte ich lächelnd mit den Schultern.
»Ok Chris, es reicht. Seit Tagen bist du nicht zu erreichen und wenn doch, dann hast du eine Laune zum davonlaufen. Und jetzt gehen wir in diesen Club und plötzlich strahlst du. Was ist los? Ist es wegen dem Typen an der Bar?«, riet sie ins Blaue.
Doch sie traf genau. Ich zuckte zusammen, doch das Lächeln wurde noch breiter.
»Oh Chris, warum hast du mir das nicht gesagt?«, bohrte sie weiter.
Emily konnte so wahnsinnig hartnäckig sein.
»Weil ich selbst nicht genau wusste, was los war.«, meinte ich und schob sie in Richtung eines leeren Tisches, was angesichts dieser Menschenmenge nahezu unmöglich schien.
»Hast du ihn angesprochen?«
Hielt sie mich für bescheuert? Nach all dem, was ich schon gesehen habe, würde ich ihn nicht ansprechen. Niemals! Und das sagte ich ihr auch.
»Ich bin doch nicht lebensmüde.«, erwiderte ich.
Emily schüttelte den Kopf. Dann wand sie sich zur Bar um und binnen Sekunden war sie verschwunden. Mir rutschte das Herz in die Hose. Doch so sehr ich auch nach ihr Ausschau hielt, dieses zierliche Wesen konnte ich einfach nicht mehr erkennen. Emily war unberechenbar. Wenn sie es sich jetzt in den Kopf gesetzt hatte, ihn anzusprechen, dann war ich ein toter Mann. Ich betete inständig. Doch tief in mir wusste ich, dass es vergebens war.
Seufzend vergrub ich mich in meinen Armen und wartete, bis sie von ihrer apokalyptischen Aufgabe zurück kam.
Plötzlich klirrte etwas dicht an meinem Ohr. Als ich den Kopf hob, erkannte ich ein Glas mit Ginger Ale auf Eis und Emilys Hand.
»Dachtest du ernsthaft, ich würde ihn ansprechen?«, wollte sie wissen.
Ich stöhnte erleichtert.
»Emily, manchmal könnte ich dich wirklich zum Mond schießen.«, flüsterte ich und versuchte krampfhaft mein bis zum Hals schlagendes Herz wieder unter Kontrolle zu bringen.
»Ich weiß, aber das würdest du nie tun! Stimmt’s?«, meinte sie mit zuckersüßer Stimme.
Wie Recht sie damit hatte. Ich hatte sie viel zu gern, als dass ich jemals eine Drohung wahr machen würde, geschweige denn eine Drohung auch nur in Erwägung ziehen würde.
»Du bist ein Biest.«, erwiderte ich und nahm sie in den Schwitzkasten.
Emily lachte und versuchte sich zu befreien, indem sie anfing mich zu kitzeln. Ich fiel in ihr Lachen mit ein und dann stießen wir mit unseren Gläsern an.
Es war endlich wieder einer dieser Abende, an denen ich mich rundum wohl fühlte.
Drei Stunden waren vergangen seit Emily und ich uns unseren Platz im Club gesucht hatten. Emily hatte irgendwann vom Ginger Ale zum Martini gewechselt und war schon reichlich bedüdelt. Sie stand auf und versuchte ihr leichtes Wanken mit einem Ausfallschritt auszugleichen. Dann griff sie nach meiner Hand und zerrte mich auf die Beine.
»Was ist denn?«, fragte ich.
»Ich will tanzen und du kommst mit. Und keine Widerrede.«, antwortete sie mir mit schon etwas schwerer Zunge.
Ich stöhnte innerlich, aber ich wusste, in diesem Zustand sollte ich nicht gegen Emily anreden, wenn mir mein Leben lieb war. Also gab ich mich geschlagen und folgte ihr auf die Tanzfläche.
Gerade als wir die Tanzfläche betraten, legte der DJ einen ruhigeren Song auf. Abermals entglitt mir ein Stöhnen. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Doch Emily war glücklich. Also begleitete ich sie.
Sie legte mir ihre Arme an den Hals, schmiegte ihren Körper an mich und begann zu tanzen. Meine Hände wanderten an ihre Hüften und zusammen legten wir einen angenehm ruhigen Tanz hin. Ich hielt die Augen geschlossen, schließlich wollte ich nicht sehen, wie mich die anderen alle angafften. Ich war doch so ein miserabeler Tänzer. Emily schien zufrieden zu sein.
Als ich die Augen öffnete, starrten mich ozeanblaue Augen an. Ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken runter und ich spürte den unverhohlenen Hass, die Kälte, die von diesen Augen ausging. Eine tiefe Trauer durchzog mich, Schuldgefühle schlugen wie Wellen über mir zusammen und ich sehnte mich danach, mich in eine Ecke zu verkriechen und nie wieder raus zu kommen.
Erst dann registrierte ich, wem diese Augen gehörten.
»Scheiße.«, flüsterte ich entsetzt.
»Na los, geh schon.«, murmelte Emily.
Sie musste ihn gesehen haben.
»Und verdirb es nicht. Du musst etwas riskieren um zu gewinnen.«
Ich nickte.
»Chris?«, begann sie und hielt mich zurück.
Oh Emily, verdammt, nicht jetzt. Was immer du mir zu sagen hast, sag es mir nachher. Wenn ich schon mal den Mut habe, dann sollte ich handeln, bevor er mich wieder verlässt.
»Was denn noch?«, wollte ich wissen und verfolgte den Mann, von dem ich nie mit diesem Blick angesehen werden wollte, mit meinen Augen durch die Menge.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, gab mir einen Kuss auf die Wange und flüsterte mir ins Ohr.
»Vergiss nie, dass ich dich liebe! Du bist mein bester Freund, ich bin immer bei dir.«
Ich starrte sie an, dann lächelte ich.
Sie schaffte es immer im richtigen Moment die perfekten Worte zu finden.
Ride on – 1. Buch | Kapitel 1 “Vergiss nie, dass ich dich liebe!”
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