Leseecke #6: Dietmar Cuntz – Hansens Vermächtnis: MAINhattan Krimi 2

Emil Hansen wird in seiner Wohnung erschlagen. Der 73-jährige lebte allein in der Auricherstr. in Emden. Nachbarn werden durch einen strengen Geruch aus seiner Wohnung aufmerksam und benachrichtigen die Polizei. Pepe Socz betritt die Wohnung und stellt den Tod fest. Die Wohnung ist aufgeräumt und nichts deutet auf einen Raubmord hin. Bei der Durchsuchung der Wohnung findet Pepe Socz ein Testament.

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Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich Dir von Büchern erzählte, die ich gelesen habe. Da ich bei einem Buchwanderpaket vom Brighton Verlag mitgemacht habe, sehe ich das als großartige Gelegenheit daran etwas zu ändern.
Im Zuge des Wanderpakets hatten die Facebook-Fans vom Brighton-Verlag die Möglichkeit in das aktuelle Büchersortiment zu schnuppern. Wir bekamen das Paket und durften aus einer ganzen Sammlung von Neuerscheinungen ein Buch aussuchen, das uns interessierte. Einzige Anforderung: Wir sollten im Anschluss daran das Buch rezensieren. Als kleines Gimmick durften wir aus drei weiteren Büchern ein zusätzliches Exemplar wählen.
Beim Brighton-Verlag handelt es sich um einen kleinen Familienbetrieb, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Autoren und Regisseuren eine Plattform zu bieten, die vielleicht von den großen Anbietern abgelehnt wurden. Wer fernab vom Mainstream nach neuen Büchern für seine Sammlung sucht, ist beim Brighton-Verlag an der richtigen Adresse.
Wie Du sicherlich bereits weißt, bin ich ein ziemlicher Krimi-/Thriller-Fan, weswegen mein Rezensionsexemplar „Hansens Vermächtnis: MAINhattan Krimi Band 2“ von Dietmar Cuntz ist.
Der Inhalt des Buchrückens machte mich neugierig. Ich fand es nur etwas schade, dass der erste Band nicht zur Verfügung stand. Gerade bei Buchreihen fange ich lieber mit Band 1 an, auch wenn die Handlungen der einzelnen Bände in sich abgeschlossen sind.

Über den Autor:

Dietmar Cuntz ist seit 25 Jahren als Richter am Amtsgericht in Frankfurt am Main tätig und wirkt seit einigen Jahren beratend in der Ethikkommission eines Pflegeheims. Mit seinem Mainhattan-Krimi vermischt er geschickt seine Leidenschaft für Bücher mit seinem Leben in Frankfurt.

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Im Nachhinein hätte mir die Autorenbeschreibung eine Warnung sein sollen. Aber dazu später mehr.

Was beim Buch als erstes auffällt, ist das Cover. Wie bei Independent-Verlagen leider üblich, ist das Cover nicht so liebevoll gestaltet, wie es wünschenswert wäre. Offenbar hat der Gestalter Ernst Trümpelmann ein Faible für alte DDR-Propaganda. Wenn man sich nämlich die schwarze Silhouette auf dem Cover genau anschaut, fühlt man sich direkt an die Propaganda-Plakate „Pst! Feind hört mit“ erinnert. Das wäre definitiv ausbaufähig gewesen.
Desweiteren empfinde ich es als störend, dass das Buch so schwer ist, obwohl es „nur“ 159 Seiten beinhaltet. Die Seiten sind aus beschichtetem Papier, das ein bisschen den Eindruck eines Buches für Kleinkinder vermittelt – abwischbar.
Nachdem ich mich mit der etwas seltsam anmutenden Haptik des Buches angefreundet und auch den träge machenden Duft nach Druckerschwärze ertragen habe, machte ich mich ans Lesen – und erlebte die nächste Überraschung.
Entweder liegt es am Autor oder am Verlag, aber offenbar hat niemand von den betreffenden Personen jemals etwas von Absätzen gehört. Das lernt man schon in der Schule, wenn es im Deutsch-Unterricht darum geht, einen Aufsatz zu schreiben: Absätze lockern den Text auf, sie unterstützen den Lesefluss.

Wikipedia sagt dazu:

In einem Absatz hat der geschriebene Text meist einen eigenen Sinnzusammenhang oder auch ein eigenes kleines Thema. Ist dieser Gedanke ausgeführt, folgt ein neuer Absatz.

Bei „Hansens Vermächtnis“ fehlen diese Absätze. Es wirkt, als wäre der gesamte Text einfach nur am Stück runter geschrieben worden. Es gibt natürlich zwei, drei Ausnahmen, aber die machen den Braten auch nicht mehr fett.
Für mich ist es unglaublich schwierig gewesen, dem Text zu folgen. Szenenwechsel innerhalb eines Kapitels wurden genauso wenig mit Absätzen markiert, wie wörtliche Rede. Gerade bei der wörtlichen Rede finde ich Absätze noch wichtiger, da sie verdeutlichen, wenn mehrere Personen im Dialog miteinander stehen.
Ich entschied mich, die nicht vorhandenen Absätze Absätze sein zu lassen und weiter zu lesen. Da kamen wir dann aber auch schon an den nächsten Punkt. Wenn ein Verlag ein Buch veröffentlicht und es sich auf die Fahne schreibt, anders als der Mainstream zu sein und Kunst zu fördern, dann sollten die Bücher wenigstens weitgehend fehlerfrei sein. Die Fehler fingen bei fehlenden Buchstaben und Satzzeichen an, zogen sich über fehlende Wörter bis hin zu Namensänderungen. Das Opfer im Buch heißt „Emil“ und nicht „Erwin“!
Rechtschreibfehler sind in einem Buch für mich normalerweise Grund genug es wieder ins Regal zu stellen (so geschehen u.A. bei Wolfgang Hohlbeins „WASP“). Natürlich kann es einem Korrektor immer mal wieder passieren, dass Fehler durchrutschen. Aber im Schnitt fallen mir bei Büchern um die 500-600 Seiten nur drei, vier gravierende Fehler auf, die einen störenden Einfluss nehmen können. Bei „Hansens Vermächtnis“ hörte ich nach 12 Fehlern auf zu zählen (und da war ich noch nicht mal bei der Hälfte des Buches angelangt).

Ein weiterer Punkt, der mich beim Lesen erheblich beeinflusste, waren die Namen. Wenn ich noch einmal ein Buch lesen muss, in dem die Protagonisten mit Doppel-O geschrieben werden, kriege ich einen Schreikrampf. Außerdem: Was ist „Bintje“ bitte für ein Vorname (Übrigens tippe ich diesen Text in diesem Moment in Word 2007 ab und selbst Word kennt diesen Namen nicht)?
Ich habe übrigens noch nie ein Buch gelesen, indem jedes Mal jeder (!!) Name ausgeschrieben wird. Oftmals werden nur Vor- oder nur Nachnamen genannt. Aber doch nicht beides. Gerade bei Krimis/Thrillern werden doch die Opfer mit dem Nachnamen erwähnt oder sie bekommen einen Spitznamen.

Da ich aber die Aufgabe hatte, eine Rezension zu schreiben, nahm ich das Buch überall hin mit, in der Hoffnung, dass Herr Cuntz und ich doch noch miteinander warm würden: Es begleitete mich aufs Klo, in die Badewanne, ins Bett. Ich las es auf der Couch, in der Küche und gab mir wirklich redlich Mühe. Aber das Ergebnis ist und bleibt das Gleiche: Herr Cuntz hat eine einschläfernde Wirkung auf mich. Meistens kam ich nicht über zwei, drei Seiten hinaus, bevor ich merkte, dass ich die Seite bereits zum vierten Mal las und nichts verstanden hatte, weil ich ständig mit meinen Gedanken abschweifte. Oder aber ich nickte mitten im Lesen ein.
Irgendwann, ich machte mich gerade auf den Weg nach Stuttgart, entschloss ich mich dazu, das Buch mit in die S-Bahn zu nehmen und dort weiter zu lesen. Ich war noch nicht mal in Grunbach angelangt (zwei Haltestellen nach meiner Starthaltestelle), landete das Buch in meiner Tasche. Es war beschlossene Sache: Ich würde dieses Buch zum gegebenen Zeitpunkt nicht beenden, denn es war schlicht und ergreifend LANGWEILIG!

Die Handlung hätte durchaus interessant sein können: Ein ermordeter Greis, der sich trotz mangelnder Arbeit und knapper Rente als wohlhabend entpuppte. Parallel dazu sein ermordeter bester Freund. Seltsam ist an dieser Geschichte nur, dass sein bester Freund im Testament des Toten stand.
Aber was Cuntz aus seiner Idee machte, gleicht einem Polizeiprotokoll. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, dass der Autor dringend mal etwas anderes in die Hand nehmen sollte, als irgendwelche Gerichtsakten.
Warst Du schon einmal Zeuge und musstest bei der Polizei eine Aussage machen? Im Regelfall bekommst Du nach dem Abtippen des Protokolls dieses zur Durchsicht und setzt dann da Deine Unterschrift drunter. Erinnerst Du Dich daran, wie trocken und lieblos diese Protokolle formuliert werden? Genau SO liest sich „Hansens Vermächtnis“. Wir reden hier von einer Aneinanderreihung von Fakten, völlig ohne Tiefgang und Emotion.

Leider sind auch seine Charaktere ohne wirklichen Charakter ausgestattet. Wenn ich ein Buch lese, dann möchte ich wissen, warum ein Protagonist handelt, wie er handelt. Ich möchte seine Gedankenwelt kennen lernen, seine Ticks, seine Eigenheiten. Pepe isst gerne Matjes-Brötchen? Ausbaufähig. Bintje verteilt Glückskekse? Warum? Wie hat das angefangen? Welche Bedeutung hat das für die Zusammenarbeit der Kollegen? Ausbaufähig.
Die Charaktere sind, gelinde gesagt, platt.

Mein Fazit? Das Lesen dieses Buches war leider vergeudete Lebenszeit. Ich kann wirklich keine Empfehlung aussprechen. Wer sich selbst überzeugen möchte, kann dies über nachfolgenden Link tun.


 
 
 

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