Lese-Ecke #2 – Was das Lesen ausmacht

Ich habe beschlossen, dass es in meiner Lese-Ecke nicht nur um Buchreporte gehen soll, sondern um alles, was irgendwie mit dem Thema Bücher, lesen, schreiben, etc. zu tun hat. Das kommt hier auf dem Blog leider etwas zu kurz. Darum folgt auch jetzt gleich der zweite Teil aus meiner Lese-Ecke.

Was bedeutet lesen für dich? Diese Frage hat mir vor Jahren mein Lehrer gestellt und ich wusste im ersten Moment nicht, wie ich ihm antworten sollte. Das “Was” war nicht das Problem. Ich hatte einen riesigen Antwortstapel. Ich traute mich nur einfach nicht, ihm konkret zu sagen, was in mir vorging, wenn ich an meine Bücher, an die darin enthaltenen Geschichten und das Drumherum dachte. Meine Vermutung war, dass er mich nicht verstehen würde. Und das war mir unangenehm. Ich sprach schon damals nicht gerne über meine Gefühle. Darum schwieg ich.

Zu meinem Abschluss stellte mir dieser Lehrer die Frage erneut und diesmal antwortete ich ihm:
Lesen ist für mich das Eintauchen in eine neue Welt. Das beginnt schon beim Kauf eines Buches. Wenn ich meine Lieblingsläden wie „Hugendubel“ am Stachus (München) und „Texxt“ in der Sendlinger Straße (München) betrete, dann hört die Welt außerhalb auf zu existieren. Es gibt nur noch die Regale und Kisten voller Bücher, die Auslagen der Neuerscheinungen, die Sitzecken und die abertausenden von Seiten und Buchstaben. Weltliche Probleme? Nicht mehr existent. Der Regen vor der Tür? Uninteressant, wenn er nicht in einem Richard Laymon-Roman verarbeitet wird. Mord und Todschlag? Nur dann wichtig, wenn meine liebsten Krimi- und Thrillerautoren darüber schreiben.
Wenn ich dann ein Buch gefunden habe, kann es mir sehr schnell passieren, dass ich mich mit dem Buch in irgendeine Ecke des Ladens oder in eine Nische zurückziehe und anfange zu lesen. Dabei geht es nicht darum, dass ich das Buch gelesen habe, bevor ich es kaufe, sondern einfach darum, dass ich gar nicht anders kann. Gib mir ein für mich interessantes Buch in die Hand und du hast die nächsten Stunden deine Ruhe. Und das meine ich wirklich so. Wenn ich lese, dann kann um mich herum der dritte Weltkrieg (und ich rede nicht von einer weltweiten Finanzkrise oder einem Wettrüsten) ausbrechen, eine Atombombe kann hochgehen oder die Welt untergehen, von mir aus kann eine Sintflut biblischen Ausmaßes ausbrechen, das ist mir in dem Moment egal, solange ich nur weiter verfolgen kann, was einer Sarah Linton, einem Alex Cross, einer Kay Scarpetta oder den Helden von Richard Laymon passieren. Ein Blick ins Buch und ich versinke in einer Welt, die dem kranken Hirn eines wahnsinnigen Regisseurs entsprungen zu sein scheint (danke Asp, für diese wirklich wahren Worte!). Das Drumherum existiert dann nicht mehr. Ansprechbar bin ich übrigens nur dann, wenn das Buch irrsinnig langweilig ist, das neue Thema von Büchern handelt oder man mir mein Buch aus der Hand nimmt. Anders kriegt man meine Aufmerksamkeit nicht.

Ich bin übrigens keine typische Frau. Während die meisten Frauen in meinem Leben bevorzugt Schuhe kaufen (was haben die nur immer mit ihren Schuhen?) gehöre ich zu der Gattung, die Schuhe links liegen lässt und ihr Geld lieber für Bücher ausgibt. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob ich einen Stapel neue Bücher kaufe oder Restposten. Na ja völlig gleichgültig ist das nicht, denn für ein normales und neues Taschenbuch bekomme ich im Schnitt drei Restposten. Darum platzen meine Bücherregale auch aus allen Nähten. Ich kann nämlich auch keine Bücher wegschmeißen.

Vor 7 Jahren sind meine Mutter, mein Bruder und ich umgezogen. Damals hat meine Mutter ganz klar ein Machtwort gesprochen und hat verlangt, dass ich jedes Buch entsorge, das ich seit mindestens einem Jahr nicht mehr in den Fingern hatte. Sie brachte kurz vor dem Umzug unzählige Bananenkisten voller Bücher von sich, meinem Bruder und von mir zum sozialen Warenhaus. Mittlerweile bereue ich es zutiefst, da in dieser Büchersammlung meine Fünf Freunde, TKKG, Tiger Team und auch meine Animorphs-Bücher waren. Damals habe ich den Entschluss gefasst, dass ich keine Bücher mehr weggebe, verschenke oder verkaufe, wenn ich sie nicht gerade doppelt und dreifach besitze – mit Ausnahme Wolfgang Hohlbeins WASP (eins ist signiert, das andere ist ein Rezensions-Exemplar) und Hohlbeins DUNKEL (einmal gebunden, einmal Taschenbuch), Pattersons ROSENROT, MAUSETOT (gebunden und Taschenbuch) sowie einige Cornwell-Bücher, da sie einfach unter verschiedenen Titeln veröffentlicht wurden.

Generell verleihe ich auch nur noch in den seltensten Fällen Bücher. Hier bin ich ganz arg eigen. Bücher werden nur noch an Menschen verliehen, bei denen ich weiß, dass ich sie in tadellosem Zustand zurück bekomme bzw. im Schadensfall das Buch ersetzt wird. Ich habe einfach schon zuviel erlebt und zu viele Bücher kaputt, zerfleddert oder gar nicht mehr zurück gekriegt.

Was für mich und meine Bücher auch ein absolutes No-Go ist: rein schreiben! Schon zu Schulzeiten, als ich Bücher wie DIE INSEL DER BLAUEN DELPHINE, BLUEPRINT – BLAUPAUSE oder auch DIE ENTDECKUNG DER CURRYWURST lesen musste, war es für mich die absolute Hölle, wenn ich Absätze unterstreichen oder markieren musste. Einige dieser Schulbücher haben hauchfeine Bleistiftlinien und PostIts mit Notizen bekommen – das fanden meine Lehrer wiederum nicht so prickelnd. Aber für mich war es Blasphemie ein Buch zu verunstalten.

Bücher haben in meinen Augen eine Art von Leben inne. Wenn ich sie pfleglich behandle, dann entführen sie mich immer wieder aufs Neue in eine Welt der Vampire, Werwölfe, Mörder, Soziopathen, Psychopathen. Sie lassen mich zusammen mit Sherlock Holmes neue Fälle lösen, ich darf mit den Delphinen schwimmen und mit Anders eine Welt der Genmutation besuchen. Das könnte ich alles nicht, wenn ich Bücher in die Ecke pfeffere, die Buchrücken breche, Seiten knicke oder gar rausreiße, die Bücher vergesse, Getränke darüber leere oder Fliegen damit töte.

Für mich ist ein Buch mehr als ein Stapel Seiten mit Buchstaben, mehr als Informationen aus der Tageszeitung und mehr als lieblos dahin geklatschte Serien/Filme. Ein Buch hat eine Seele, denn es spiegelt die Fantasie, die Träume und Wünsche, die Hoffnungen, die Albträume und Trauer, die Wut und die Liebe eines Menschen wieder, der sich die Mühe gemacht hat, seine tiefsten Empfindungen aufzuschreiben und der den Mut aufgebracht hat, diese Empfindungen mit anderen Menschen zu teilen. In jedem Buch steckt ein Teil dieses Menschen.


 
 
 

3 Kommentare bei „Lese-Ecke #2 – Was das Lesen ausmacht“

  1. Ich kann nur noch eins dazu sagen:
    Ich bin voll und ganz deiner Meinung!!

  2. […] B-Movie oder Nischendasein. Mit meinen Büchern sieht das ganz ähnlich aus. Wie bereits in einem Lese-Ecken-Beitrag erwähnt, habe ich eine Vielzahl meiner Bücher aus Läden wie dem Hugendubel oder Texxt. Das geht […]

  3. Dies ist ein großartiger Artikel, den ich genau so unterschreiben würde.
    Vor allem das mit dem Wegwerfen oder Ausleihen von Büchern handhabe ich ganz genau so.

    Wenn es Dich mal nach Berlin verschlägt, geh zu “Dussmann” in der Friedrichstraße. Es wird dir da gefallen und die haben unter der Woche bis 23.30 Uhr offen…

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